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15.08.2010 eingestellt von: Mario Schuller


Nordvogesen

Drei Tage vom 07. September bis 09. September 2001 durch die Nordvogesen. Vierzehn TeilnehmerInnen legen 223 Kilometer zurück.

Pünktlich um 7:48 Uhr begann am 07. September die Tour am Rüsselsheimer Bahnhof, wo sich zwölf der vierzehn Teilnehmer einfanden, mit einer Bahnreise ins Saarland. Nach zweistündiger Fahrt im für manchen Teilnehmer magenquälenden Pendolino durch das Nahetal und das Saarland wurde Saarbrücken erreicht. Hier trafen wir ein weiteres Teilnehmerpaar, das schon am Tag zuvor angereist war. Hintergrund ist die leider nur begrenzte Möglichkeit der Fahrradunterbringung innerhalb des für die Fahrt nach Saarbrücken gewählten Zuges. Endlich konnte es losgehen. Schnell waren wir aus der Innenstadt heraus, es ging hinunter zur Saar. Auf einem schönen Radweg wurden die ersten Kilometer zurückgelegt. Nach kurzer Einrollzeit konnten wegen des doch noch akzeptablen Wetters - es war leicht bewölkt - die langen Hosen eingepackt werden. Als dann der Wind um die Beine wehte, machte das ganze noch mehr Spaß. Eine schöne Flußlandschaft entlang der Saar und des Saarkanals ließ die Kilometer nur so fliegen. Kurz vor der deutsch-französischen Grenze kam es zur ersten Panne. Ein Teilnehmer bzw. sein Fahrrad war Opfer eines Angelhakens geworden. Der Plattfuß war aber schon nach rund einer Viertelstunde behoben und die Fahrt konnte fortgesetzt werden. Eine von den Tourleitern in Saargemünd angebotene Einkaufspause - für die Mittagsrast - lehnten die Teilnehmer dankend ab. Die Ausläufer der Vogesen waren bald erreicht. Sobald das Tal verlassen wurde, begann für die Gruppe die Arbeit mit der Gangschaltung. Eine stetige Folge von Anstiegen und Abfahrten forderten Konzentration und Kondition. Eine kurze Mittagsrast zur Vermeidung des berüchtigten Hungerastes wurde im Stehen absolviert. Landwirtschaftliche Flächen, kleinere Orte und beeindruckende Wälder prägen diese Gegend. Eine leichte Orientierungslosigkeit der Tourenleitung musste durch die Nutzung eines schwierigen Forst-Höhenweges korrigiert werden. Hierbei kam es zur nächsten Panne eines Tourteilnehmers. Trotzdem wurde nach knapp 5 Stunden, einer weiteren Panne - gerissener Bowdenzug (nach Aussagen des Betroffenen war es allerdings ein intervallmäßiger Austausch) - und 75 zurückgelegten Kilometern das Hotel �des Vosges� in La Petite-Pierre erreicht. Die Stadt liegt im Naturpark der Nordvogesen. Nach ausgiebigem Duschen, einem Gang durch die Stadt und einem ersten Bier erwartete die Gruppe ein drei-gängiges Abendessen im Feinschmeckerformat. Diese Bezeichnung ist wirklich angebracht. Die Terine mit Salaten, das Huhn in Riesling und Eis mit frischen Waldbeeren waren ein großer Genuß. Alle Zutaten waren aus frischer Küche und selbst hergestellt, sogar die Kroketten. Zusammen mit den verkosteten Elsässer Weinen und Obstbränden wurde wirklich im wahrsten Sinne des Wortes und von freundlichen Bedienungen, eine gut bürgerliche Mahlzeit serviert.

Am Morgen des zweiten Tages am Frühstückstisch sitzend sahen die Teilnehmer mit gemischten Gefühlen aus dem Fenster. Es war kalt geworden in der Nacht, dazu Wind und Regen. Das Anlegen der vollen Regenmontur war angesagt. Die unwirtliche Witterung sollte an diesem Tag eine weitere Herausforderung an den Willen der Radler sein. Doch es gab keine Gnade. Die Zimmer am Col du Donon waren gebucht; es mußte gefahren werden. Nach rund 20 km erreichten wir Phalsbourg, wo wir unsere Lebensmittelvorräte auffrischten und die Geldautomaten zum Glühen brachten. Auch der Regen machte eine Pause. Nach weiteren 20 km Fahrt durch eine weiterhin hügelige Landschaft wurde der Einstieg zur Paßstraße erreicht. Vorher gab es noch zwischen Walscheid und St. Leon einen knackigen Anstieg, den ein Teil der Gruppe aus dem Sattel und zum Schieben zwang. In St. Leon wurde bei Wind und Wetter unter dem Schutz eines Wartehäuschens ein karger Imbiß eingenommen. Eine letzte, rasante Abfahrt auf regennasser Straße folgte, von da an ging es nur bergauf. Die wunderschön entlang der Roten Saar, durch herrliche Wälder und absolut einsam und verkehrsarm, gelegene Straße erreicht nur selten mehr als 3 % Steigung. Allerdings mußten rund 20 km zurück gelegt werden, um mit 730 m den Höchstpunkt zu erreichen. Die Belastung der Strecke, zusammen mit den extremen äußeren Bedingungen, blieben nicht ohne Folgen. Am Fahrrad eines Gruppenmitgliedes löste sich eine Schraube der Hinterradschwinge. Glücklicherweise konnte die Reparatur an Ort und Stelle ausgeführt werden. Mit Unterstützung mehrerer Gruppenmitglieder und mit dem zufälligerweise von einem Radler mitgeführten Spezialwerkzeug konnte diese Hürde genommen werden. Bei Kilometer 8 des Anstieges zwang als nächstes die Auswirkung einer früheren Unfallverletzung einen Teilnehmer vom Rad. An ein Weiterfahren wegen zu starker Schmerzen in den Knien war nicht mehr zu denken. In dieser Einsamkeit, weit abgeschlagen vom Rest der Gruppe, war nun Hilfe von Außen gefragt. Es half wiederum der Zufall. Ein Reisebus aus Deutschland wurde gesichtet und kurzerhand von einem Gruppenmitglied gestoppt. Nach kurzer Verhandlung und nach einem Apell an die Menschlichkeit war der Busfahrer bereit, den unglücklichen Radler mit hinauf auf die Paßhöhe zu nehmen. Dessen Frau staunte nicht schlecht, als sie im Hotel, nach weiteren zwei Stunden ermüdender Fahrt und ihren Mann weit hinter sich wähnend, von diesem schon geduscht und umgezogen, begrüßt wurde. Dazu kam noch eine Panne am Rad des Tourenleiters. Die Hinterradnabe war defekt. Wahrscheinlich wegen des hohen Drehmomentes, das er auf die Kurbel bringt. Er mußte die letzten 5 km zur Paßhöhe schiebend zurücklegen. Per Taxi ging es dann später ins Tal nach Schirmeck. Dort fand er am Samstagnachmittag noch einen freundlichen Fahrradhändler, der ihm ein neues Hinterrad verkaufte. Auch diese Krise konnte also mit Glück und Geschick bewältigt werden. Völlig durchnässt, ausgepowert, aber vollständig trafen die Radfahrerinnen und Radfahrer nach 68 Kilometern im Hotel �du Donon� einzeln oder in kleinen Gruppen ein. Ein heißes Bad (oder eine heiße Dusche) und eine funktionierende Heizung zum Trocknen der Kleidung waren an diesem späten Nachmittag die für die Fahrerinnen und Fahrer wichtigsten Dinge. Für zwei Stunden war Ruhe angesagt. Die Ereignisse dieses Tages, die körperliche Belastung, die Eindrücke der herrlichen Berglandschaft in Verbindung mit einem guten Abendessen - wieder ein drei-Gänge Menu - waren Garantie für einen wunderschönen Abend und einen tiefen Schlaf.

Am Morgen des dritten Tages schien die Sonne. Dieser letzte Tag begann mit einer 9 km langen Abfahrt. Was am Tag zuvor noch nicht für möglich gehalten wurde: Der Radler, der wegen der Knieschmerzen nicht weiterfahren konnte, war wieder dabei. Die Tour wurde nach kurzer Absprache etwas entschärft. Um es kurz zu machen: Er hielt durch! Die anschließende Strecke entlang der Bruche wurde wegen Rückenwind mit hohem Tempo zurückgelegt. Mutzig mit seiner Brauerei wurde passiert und Molsheim erreicht, wo eine Rast in einem Café den Teilnehmern die Kunst der Elsässer Konditoren näherbrachte. Die letzten 25 km bis Straßburg konnten auf einem Europäischen Radfernweg durch eine herrliche Kanallandschaft gefahren werden. Das sonntägliche, mit Touristen gut gefüllte Straßburg, ließ die Gruppe auf der Suche nach einem geeigneten, rauchfreien Wirtshaus fast schon resignieren. Eine kurze Sichtung in einer Weinstube an der Pont St. Martin brachte der Gruppe allerdings ein besonderes Erlebnis. In luftiger Offenheit und auf Holzbohlen schwebend, inmitten der wild strömenden Ill, nahmen die Radlerinnen und Radler dann doch noch bekannte Elsässer Spezialitäten wie Baeckeoffe oder Choucroute und Edelzwicker zu sich. Einige Touristen hielten diese Sehenswürdigkeit mit ihren Fotoaparaten fest. Nach 80 km auf dem Fahrrad ging es dann per Bahn von Kehl - mit Umstiegen in Offenburg und Frankfurt - zurück nach Rüsselsheim, wo wir um kurz nach 21 Uhr eintrafen. Ein paar Hartgesottene ließen es sich nicht nehmen, schon in Darmstadt auszusteigen, um auf der Strecke nach Nauheim bzw. Rüsselsheim noch mal die Pedale zu bewegen.
Alles in allem und trotz, oder auch gerade wegen der kritischen Ereignisse, die aus der Gruppe heraus bewältigt werden konnten, war es wiederum eine tolle Radtour, die allen Teilnehmern noch lange in Erinnerung bleiben wird.

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