24.12.2010 | eingestellt von: |
Ins Land der offenen Fernen

Drei Tage vom 27. bis 29. Juni 2003 durch die Rhön. Zwölf TeilnehmerInnen legen 166 Kilometer zurück.
Ins Land der offenen Fernen zog es die 12köpfige Radwandergruppe für eine dreitägige Tour durch die Rhön. Die Leitung der Tour lag bei Veronika und Hans-Peter Greiner.
Schon zwei Stunden nach ihrem Start in Fulda sollte die Gruppe erfahren, daß das Motto der "offenen Fernen" zwar der Wahrheit entspricht, diese Fernen aber erst aus der Höhe sicht- und genießbar sind. Auf dem Hessischen Radfernweg R3 ging es zunächst zügig aus Fulda hinaus in die Vorderrhön. Einen Vorgeschmack auf künftige Radlerfreuden in Form des neuen Rhön-Radwegs Fulda - Hilders, der gerade auf einer alten Bahntrasse angelegt wird, bekam die Gruppe auf einigen bereits fertiggestellten Abschnitten. Dessen besondere Attraktion, die Tunneldurchfahrt unter der Milseburg, war leider noch nicht befahrbar, also war klettern angesagt. Aber auf der Milseburg (835 m), dem vielleicht charakteristischsten Berg der Rhön, zeigten die Fernen sich erstmals offen. Der Blick war frei auf den Vogelsberg und den Thüringer Wald, aber auch auf Wasserkuppe und Hochrhön, die an den nächsten Tagen bezwungen werden wollten. Der Rest des Weges war rollen, bergab meistens, bis zur Unterkunft, de, Gasthaus Krone in Seiferts im Ulstertal, wo die Gruppe nach 46 Kilometern eintraf. Dort hat man sich der Vermarktung regionaler Produkte verschrieben. Apfel und Schaf gehen kaum geahnte, innige Verbindungen ein vom reichhaltigen Frühstück über das vielfältige Abendessen bis zur liebevollen Gestaltung der Gästezimmer. Letztere konnten zwei lang arbeitende Nachzügler besonders genießen, die mit dem letzten Zug in Gersfeld eintrafen und nach 45 schweißtreibenden Minuten über die Wasserkuppe die Gruppe bei Einbruch der Dunkelheit komplettierten - und vom freundlichen Krone-Team noch mit den notwendigen Kalorien versorgt wurden.
Der Tiefpunkt des zweiten Tages war bereits nach 15 km die Ulster abwärts im malerischen Städtchen Tann mit seinem dreifarbigen Renaissance-Schloss und schönen Bürgerhäusern erreicht. Von da an ging es bergauf: Erster Halt auf thüringischem Boden in der von der Gemeinde liebevoll restaurierten Fachwerk-Dorfkirche von Oberweid. Die offenen Fernen lockten, und so hieß es weiter strampeln bis auf den Ellenbogen. Von diesem 830 m hohen ehemaligen Ausguck der NVA lag die hessische Rhön den Radlern vor Augen: schon bezwungene und noch wartende Höhen ... Vom Ellenbogen bis zum hessisch-thüringisch-bayerischen Dreiländereck hielten sich die Steigungen in Grenzen, zumal die besten thüringischen Bratwürste schon von weitem dufteten. Vor 15 Jahren wäre diese Tour noch nicht möglich gewesen, wie die Teilnehmer an einem erhalten gebliebenen Teil der ehemaligen DDR-Grenzanlagen eindrucksvoll erfuhren. Am Dreiländereck selbst stand dann nach Bratwurstgenuss wieder die Natur im Vordergrund: Die Räder blieben zurück und das Schwarze Moor, ein besonders geschütztes Biotop mit seltenen Tier- und Pflanzenarten, wurde zu Fuß auf einem zwei Kilometer langen Bohlenweg erkundet. Heimwärts führte der abendliche Weg über die Hochrhönstraße. Deren Bau ist dem Bauernstands-Wahn der Nationalsozialisten zu verdanken, die auf den unwirtlichen Hochlagen der Rhön neue landwirtschaftliche Flächen erschließen wollten - und damit kläglich scheiterten. Heute eröffnet diese Route - schon auf bayerischem Gebiet - den Radlern wenigstens weite Blicke zum Thüringer Wald und in den Frankenwald. Vom Heidelstein (926 m) als südlichstem Punkt der Tour führte eine rasante Abfahrt zurück zur Krone. Trotz 62 Kilometer zurückgelegter Strecke und 500 bezwungener Höhenmeter in den Beinen reichte die Kondition noch locker für ein üppig-deftiges Rhöner Abendessen und die anschließende Apfelwein-Probe vom leichten Apfelwein-Cidre über sortenreines Boskop-Stöffche bis zu eichenholzfass-gereiftem Apfel-Sherry: lecker, lecker ... aber auch eine gute Grundlage für die noch offenen Fernen des nächsten Tages?
Am dritten Tag hieß es, mit der 950 m hohen Wasserkuppe Hessens höchsten Berg mit bepacktem Rad zu bezwingen. Alle hatten den Vorabend bestens überstanden und nach kurzem Einrollen konnten die Waden gespannt werden. Nach einer heftigen Steigung von ca. 12 Prozent war Abtsroda erreicht und der Wasserkuppen-Gipfel lag zum Greifen nah - allerdings noch 200 m höher. Die aber hatten eine 3/4 Stunde später alle geschafft und konnten im Ausflügler-Gewimmel nochmals "offene Fernen" nach allen Richtungen genießen. Nach kurzem Halt an der Fulda-Quelle war Gersfeld in Schußfahrt erreicht - und verbrannte Körner auf dem sonnigen Marktplatz bald nachgetankt. Auf dem R1 der jungen Fulda folgend flogen dann die Kilometer nur so vorbei und am späten Nachmittag kamen alle nach 58 Kilometern wohlbehalten in der Barockstadt an.
Dank der diesmal pünktlichen RMV-Züge blieb Zeit, die Tour traditioneller Weise in einer Rüsselsheimer Eisdiele ausklingen zu lassen.
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